Samstag, 5. März 2011
 Gott ist tot
Gott ist zum zweiten Mal Mensch geworden. Diesmal aber nicht als Wanderprediger wie zu Beginn der christlichen Zeitrechnung in Israel. "Als junger Mann verkleidet, erreichte Gott gegen Abend ein Flüchtlingslager im Norden Darfurs. Er trug ein dünnes grünes Baumwollkleid und abgetretene Ledersandalen. Über der Schulter hing ihm ein Stoffsack, in dem ein Kleid zum Wechseln, ein Beutel Hirse und ein Plastikbecher steckten." Wieder begibt sich der Schöpfer selbst unter die Menschen, diesmal aber ist sein Ende endgültig. Gott stirbt in einer Stacheldrahtbarrikade an Hitzeschock und Blutvergiftung.

natozaun
© Tomsk / pixelio.de

"Sein Tod, dieser eine kleine Tod unter Tausenden, wäre unbemerkt geblieben, hätten nicht ein paar Windhunde, die von seinem Kadaver fraßen, plötzlich begonnen, einen Mischmasch aus Griechisch und Hebräisch zu sprechen."

Als sich die Nachricht von Gottes Tod global verbreitet, bricht das Chaos aus: Kleriker begehen reihenweise Selbstmord. Heranwachsende, die ihre Zukunft zerbrechen sehen, erschießen sich gegenseitig, um diesem Leben - "einer Art Fegefeuer" - ein Ende zu bereiten.

In seinem Debütroman "Gott ist tot" erzählt Ronald F. Currie Junior von einer Welt, in der dieser Ausruf nicht mehr nur die Parole der Ungläubigen ist, sondern grausame Gewissheit. Sieben Kurzgeschichten berichten von einer Menschheit, die keine Gebote mehr kennt, die sich Ersatzgötter sucht und sich im letzten, alles vernichtenden Krieg befindet.

Einer, in dem sich die Menschen neue Götter suchen und diese in ihren eigenen Kindern gefunden zu haben glauben. Den Therapeuten, den die Behörde zur Unterbindung dieses Kinder-Kultes eingesetzt hat, verachten sie voller Passion.

Ronald Currie schildert ein Szenario, das genauso fesselnd wie abstoßend ist. Zwar wird heute oft behauptet, dass es einen Gott nicht gebe. Aber was wäre, wenn Gottes Tod wirklich amtlich werden würde? Genau diese Frage versucht Currie in seinem Roman zu beantworten.

Sein Text macht diese Utopie so glaubwürdig, dass es manchmal einer Erlösung gleichkommt, das Buch beiseite zu legen und sich in der Wirklichkeit wiederzufinden, ob nun mit lebendigem oder totem Gott.